Lieferengpässe

Lieferengpässe
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 

Faktenblatt
LIEFERENGPÄSSE BEI ARZNEIMITTELN
Stand: Juni 2022

Definitionen
» Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt eine aktuelle Liste der
gemeldeten Lieferengpässe für Arzneimittel, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für Impfstoffe.

» Ein Lieferengpass ist als eine über 2 Wochen hinausgehende Unterbrechung einer üblichen
Auslieferung oder eine deutlich erhöhte Nachfrage, die das Angebot übersteigt, definiert.

» Ein Versorgungsengpass liegt vor, wenn gleichwertige Alternativarzneimittel nicht zur
Verfügung stehen.

Problemanalyse1,2,3,4,5
» Für zwei Drittel (62,4 %) der selbständigen Apotheker gehören Lieferengpässe zu den größten
Ärgernissen im Berufsalltag ein seit Jahren anhaltend hoher Wert.

» Die Mehrheit der Apotheker in Deutschland (62,2 %) wendet mehr als 10 % ihrer Arbeitszeit
dafür auf, um bei Engpässen gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach
Lösungen zu suchen. Im europäischen Durchschnitt wenden Apothekenteams 5,1 Stunden pro
Woche für das Management von Lieferengpässen auf.

» Die Anzahl der nicht verfügbaren Rabattarzneimittel lag 2020 bei 16,7 Mio. Packungen.
Betroffen war somit jedes 38. Arzneimittel (16,7 von 643 Mio. verordneten Packungen). In der
Rangliste der Nichtverfügbarkeiten lag 2020 Candesartan (Blutdrucksenker) mit 2,15 Mio.
Packungen vor Metformin (Diabetesmittel) mit 0,71 Mio., Pantoprazol (Säureblocker) mit 0,68
Mio., Ibuprofen (Schmerzmittel) mit 0,60 Mio. und Metoprolol (Blutdrucksenker) mit 0,51 Mio.

» Lieferengpässe sind ein dauerhaftes Problem: Bereits 2016 mussten mehr als 50 % der
Apotheken ihren Patienten ein- oder mehrmals eine weniger geeignete Darreichungsform oder
einen Arzneistoff zweiter Wahl geben.

Ursachen für Lieferengpässe
» Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig, z.B. der Kostendruck im Gesundheitswesen.
» Global betrachtet findet die Wirkstoffproduktion für den Weltmarkt aus Kostengründen oft in
wenigen Betrieben in Fernost statt (Beispiel Antibiotika: Produktion in China und Indien).

» Steht die Produktion zeitweilig still oder wird eine Charge aus Qualitätsgründen nicht
freigegeben, können auch große Hersteller in Europa ihre Fertigarzneimittel nicht liefern.

» Hierzulande können gesetzlich zulässige Entwicklungen, wie exklusive Rabattverträge oder Im-
und Exportgeschäfte mit Arzneimitteln, ebenfalls Ursache von Lieferengpässen sein.

» Die Corona-Pandemie ab März 2020 und der Ukraine-Krieg ab Februar 2022 haben die
Versorgungssituation durch erhöhte Nachfrage von Kunden und Kliniken (z.B. Schmerz-,

1 https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/ZDF/ZDF22/ZDF_22_46_Management_von_Lieferengpaessen.pdf
2 https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Arzneimittelkommission/Publikationen/Referenapotheken-Umfrage_Lieferengpaesse_2017.pdf
3 https://www.dapi.de/fileadmin/media/files/pdfs/zahldesmonats/ZdM_2020-03_Tabelle_Nichtverfugbarkeit_2017_bis_2019.pdf
4 https://www.pgeu.eu/wp-content/uploads/2022/01/PGEU-Medicine-Shortages-Survey-Results-2021.pdf
5 https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Pressetermine/2021/DAT_2021/Praesentation_Apothekenklima_Index_2021.pdf

 
 

2
Fieber- und Narkosemittel sowie Jod-Tabletten) zeitweise verschärft. Auch die globalen
Produktionsstätten und Lieferketten werden durch die Krisen beeinträchtigt.

» Fallbeispiel: Anfang 2022 drohte ein Versorgungsmangel beim Brustkrebs-Mittel Tamoxifen
aufgrund des Produktionsausfalls eines Herstellers mit hohem Marktanteil. Daraufhin ordneten
die Behörden ein Bevorratungsverbot an, empfahlen die Abgabe kleiner Packungsgrößen,
strengten eine vorgezogene Produktion an und ließen Importe des Medikaments zu.

Forderungen der Apothekerschaft
Der Geschäftsführende ABDA-Vorstand hat 2019 einen Acht-Punkte-Katalog beschlossen, mit
dem den Ursachen und Wirkungen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln begegnet werden soll:

» Lieferengpässe müssen vom pharmazeutischen Unternehmen und Großhandel verpflichtend
bekanntgegeben werden.

» Sämtliche Akteure müssen in ein zentrales Informationssystem eingebunden werden.
» Mehrfachvergaben von Rabattverträgen mit mehreren Wirkstoffherstellern sind vorzuschreiben.
» Die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln soll unter hohen Umweltschutz- und
Sozialstandards wieder verstärkt in der EU stattfinden.

» Für Patienten dürfen durch Lieferengpässe keine höheren Aufzahlungen wegen Festbeträgen
und Zuzahlungen entstehen.

» Apotheken brauchen definierte Spielräume beim Management von Lieferengpässen und
Rechtssicherheit vor Retaxationen.

» Der Mehraufwand in Apotheken muss honoriert werden.
» Exporte von versorgungsrelevanten Arzneimitteln sollen bei Lieferengpässen beschränkt
werden können.

Lösungen auf Bundes- und Europaebene
» Das seit April 2020 geltende Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) hat schon einzelne
Forderungen der Apothekerschaft aufgegriffen, wie z.B. erhöhte Meldepflichten für Hersteller
und Großhändler sowie die Kostenübernahme von Aufzahlungen durch die Krankenkassen.

» Die Apotheken gaben bei einer repräsentativen Befragung Mitte 2020 an, dass sie 40,6
Prozent (Mittelwert) der Mehrarbeit für das Management von Lieferengpässen einsparen, seit
die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung den Austausch gegen verfügbare und
vorrätige Ersatzmedikamente erleichtert. Die Apothekerschaft fordert daher eine Entfristung
dieser unbürokratischen Corona-Regelung über den 25. November 2022 hinaus.

» Auf Bundes- und Europaebene werden grundsätzliche Lösungen (z.B. Rückverlagerung der
Produktion nach Europa) diskutiert, wie z.B. im Rahmen der Europäischen
Arzneimittelstrategie der Europäischen Kommission. Die ABDA begrüßt die neuen
Kompetenzen der Europäischen Arzneimittelagentur (engl. EMA) seit März 2022.

Quelle: www.abda.de, abgerufen am 06.04.2023

 
 
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